Dienstag, März 24, 2009

Die Katakomben oder die ersten Christen unter der Erde (5)

Die Arkan-Disziplin oder die Vorschrift der Geheimhaltung

Die Kirche beobachtete in den ersten Jahrhunderten tiefes Stillschweigen über die vorzüglichsten Geheimnisse des Glaubens und über ihre heiligen Sakramente gegenüber den boshaften Juden und den ganz in das Irdische versunkenen, der Wahrheit entfremdeten und der Abgötterei dienenden Heiden. Sie hatte dazu ihre guten Gründe. Denn für's Erste konnte und wollte sie ihre göttlichen Wahrheiten und Geheimnisse nicht der Missdeutung, der Verachtung, dem Spotte und der Verdächtigung preisgeben. Sie befolgte hierin nur die Worte ihres göttlichen Stifters: "Gebet den Hunden nicht euer Heiliges und werfet den Schweinen nicht eure Perlen vor." (Matth. 8, 6.) Für's Zweite wollte sie die neubekehrten Heiden und Juden nicht gleich Anfangs mit den vorzüglichsten Geheimnissen der christlichen Religion bekannt machen, weil ihr Glaube noch zu schwach war, und keine Bürgschaft gab, dass sie nicht wieder zum Götzendienst zurückkehren und dann die noch nicht vollkommen erkannten Wahrheiten und Geheimnisse entstellen und verdächtigen würden. Sie befolgte hierin die Worte des heiligen Apostels Paulus an die Korinther: "Und ich, Brüder, konnte nicht zu euch reden als zu Geistigen, sondern als zu Fleischlichen. Als Unmündigen in Christo gab ich euch Milch zu trinken, nicht Speise, denn ihr vermochtet es noch nicht" (zu fallen). (I. Kor. 1-4) Der Apostel, und ihn nachahmend, die ersten Christen, trugen also den Neubekehrten Anfangs nur das zum Heile unumgänglich Notwendige vor, die wichtigen Geheimnisse verschwiegen sie ihnen, bis sie im Glauben fest begründet und ihre Treue erprobt war. - Waren die Neubekehrten in dem Notwendigen hinlänglich unterrichtet und sollten sie die Taufe erhalten, dann erst wurde ihnen das ganze Glaubensbekenntnis und vorzugsweise das Geheimnis der heiligsten Dreieinigkeit mitgeteilt, in deren Namen sie getauft werden sollten. Wir sehen diese Zurückhaltung augenscheinlich in den Katechesen oder Christenlehren des hl. Cyrillus von Jerusalem, die er im Jahre 345 vor den Katechumenen und den Gläubigen hielt. Die erstern enthalten kein Wort über die wichtigen Geheimnisse des Glaubens und das heiligste Sakrament, die anderen aber, welche dieser große Bischof dem unterricht der Gläubigen oder der Getauften widmete, drücken sich über diese Geheimnisse so klar aus, dass nichts zu wünschen übrig bleibt. Auch befiehlt er ausdrücklich, diese Belehrungen niemals den Katechumenen oder den Nichteingeweihten mitzuteilen mit den Worten: "Wenn die Christenlehre zu Ende ist, und ein Katechumene kommt, dich zu fragen: Was sagte der Lehrer? so sage nichts diesen Menschen von draußen."
Namentlich war die Lehre von der heiligsten Dreieinigkeit, wie schon gesagt, ein Gegenstand der Geheimhaltung. Es genügt, hierüber das Zeugnis des hl. Cyrillus anzuführen, der sagt: "Niemals wurde mit einem Heiden gesprochen von dem erhabenen Geheimnisse des Vaters, Sohnes und des heiligen Geistes; wir reden davon nicht einmal offen vor den Katechumenen, sondern auf geheime Weise, so dass die Gläubigen, welche die Sache wissen, sie verstehen und die, welche sie nicht wissen, durch eine voreilige Entdeckung nicht geärgert werden." Ebenfalls unter das Gesetz der Geheimhaltung gehörten die heiligen Sakramente, nicht bloß ihre Zeremonien, sondern auch ihre Wesenheit. So sagt der hl. Chrysostomus in einer Rede über die Taufe: "Ich möchte reden, aber ich wage es nicht wegen derjenigen, welche nicht eingeweiht sind"; und der Kirchenlehrer Theodoret sagt hierüber: "Hier ist vor Allem eine geheimnisvolle Sprache notwendig." Am meisten verhüllt wurde die Lehre vom allerheiligsten Altarssakramente. Die heiligen Väter bezeichnen es kaum dem Namen nach, sie heißen es bloß "das Gut", und gebrauchten mit großer Vorsicht gewisse Figuren, Sinnbilder, Redewendungen, wenn sie davon vor Nichteingeweihten reden mussten.
Der heilige Chrysostomus sagt geradezu: "Das Geheimnis des allerheiligsten Sakramentes ist nur den Eingeweihten bekannt." In den Homilien und Belehrungen, welche die Väter in Gegenwart der Katechumenen vortrugen, finden sich der Menge nach folgende vorsichtige Ausdrücke: "Die Gläubigen wissen es", "die Eingeweihten wissen, was wir sagen", "ich rede zu den Gläubigen." - "Wenn man", sagt der hl. Augustin, "einen Katechumenen fragt, ob er an Jesus Christus glaubt, so antwortet er sogleich: "Ja"; fragt man ihn aber: Genießest du auch den Leib des Menschensohnes? so weiß er nicht, was du fragst."
Bei der Feier des heiligsten Messopfers mussten sich alle Katechumenen und Nichteingeweihten entfernen. "Wir feiern die heiligen Geheimnisse", sagt der hl. Chrysostomus, "bei verschlossenen Türen und hindern die Nichteingeweihten dabei zu erscheinen." Die Diakonen mussten wachen, dass kein Uneingeweihter den Ort betrete, wo gerade das heiligste Opfer gefeiert wurde; ja es wurde den Gläubigen ein eigenes Losungswort gegeben, welches ihnen abgefordert wurde, wenn sie den Ort betreten wollten, wo der Bischof das heiligste Opfer feierte.
Die Spendung der hl. Firmung wurde den Nichteingeweihten ebenfalls verheimlicht. "Was die Salbung mit dem heiligen Öle anbelangt", sagt der hl. Basilius, "wer wagte es, jemals offen davon zu sprechen?" Der nämliche Fall war es mit der Priesterweihe. Man durfte sie nicht in Gegenwart der Katechumenen erteilen. In einem Canon des Konzils von Laodicea heißt es: "Verboten soll sein, die Weihen vor den Augen der Hörenden zu spenden." Ebenso stand auch das Sakrament der letzten Ölung unter dem Gesetz der Geheimhaltung. Der heilige Augustin sagt: "Die heiligen Sakramente werden auf verschiedene Weise empfangen, die Einen, wie ihr wisset, werden von uns mit dem Munde, die Andern am ganzen Leib empfangen." Offenbar bezeichnet er hier die Kommunion und dann die letzte Ölung.
Ein fernerer Grund der Geheimhaltung war die Absicht, den Nichteingeweihten und Katechumenen eine gebührende Achtung und Ehrfurcht vor diesen heiligen Geheimnissen einzuflößen. Daher sagt der hl. Basilius: "Die Ehrfurcht vor den heiligen Geheimnissen wird durch das Stillschweigen bewahrt." Der hl. Augustin drückt denselben Gedanken aus, wenn er sagt: "Ihr dürft euch nicht wundern, teuerste Brüder, wenn wir euch selbst bei der Feier der heiligen Geheimnisse nichts von dem gesagt haben, was wir tun. Wir mussten so heilige, so göttliche Sachen mit ehrerbietigem Schweigen umgeben."
Endlich kann man noch beifügen, dass man den Katechumenen deshalb die Lehre von den heiligen Sakramenten, besonders von der Taufe und dem heiligsten Sakramente verhüllte, um ihr Verlangen darnach und ihren Eifer noch mehr zu entflammen. "Wenn die Katechumenen etwas nicht verstehen, so sollen sie ihre Trägheit abschütteln und sich beeilen, diese Dinge zu erkennen", und an einer andern Stelle spricht derselbe Kirchenvater: "Wenn die Sakramente der Gläubigen den Katechumenen nicht offenbar werden, so geschieht das nicht, weil sie die Kenntnis derselben nicht ertragen können, sondern damit sie mit eben demselben Eifer darnach verlangen, mit welchem man dieselben geheim hält." Aus diesem Grunde nannte man das heiligsten Altarssakrament auch "Desiderata", "das Ersehnte".
Diese Geheimhaltung, Arkan-Disziplin, diese Sorgfalt, die Geheimnisse des Glaubens Nichteingeweihten zu verbergen, war also eine besondere Ursache, dass sich die ersten Christen der Sinnbilder, der sinnbildlichen Darstellung biblischer Geschichten und verblümter Zeichen bei ihren Malereien bedienten. Man gestattete keine Darstellung, welche den Augen eines Heiden oder Juden, die sich in die Katakomben heimlich einschleichen mochten, die heiligen Geheimnisse verraten konnten. Die ganze christliche Religion, ihre Glaubens- und Sittenlehren, ihre Hoffnungen und Verheißungen sind in einer geheimen Sprache, unter verschiedenen Bildern dargestellt; selbst Figuren aus der Fabellehre der Heiden halten die christlichen Künstler auf die Decken der Grabkammern, um unter denselben ein Glaubensgeheimnis zu verhüllen.

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