Freitag, Dezember 15, 2006

Das tausendjährige Reich - Teil 2

Das Tausendjährige Reich ist die Zeit unvorstellbarer Gnadenfülle. Nur aus diesem Grunde heißt es weiter vorne in der Apokalypse, daß der "Zorn Gottes" mit der Ausgießung der sieben Schalen beendet ist ("Quoniam in illis consummata est ira Dei", Apk. 15,1).
Die sieben Schalen des Zornes Gottes treffen in der Geheimen Offenbarung nur das Tier und den falschen Propheten und jene Menschen, die sich von diesen beiden betören lassen. Mit den sieben Zornesschalen ist nicht die Fülle aller Katastrophen bis zum Weltende gemeint.
Das Tausendjährige Reich wird in der Geheimen Offenbarung als Zeit der reinen Herrschaft Christi auf Erden beschrieben. Der Satan wird nicht mehr angebetet, wie es z.B. bei seinem "Thron" in der Stadt Pergamum geschah (Apk. 2,12-13), sondern er ist gefesselt. Im Tausendjährigen Reich, das heißt in jenem Zustand der Kirche, in dem Gott der Herr öffentlich und feierlich durch den im hl. Sakrament gegenwärtigen Heiland verherrlicht wird ("Per ipsum et cum ipso et in ipso est tibi Deo Patri omnipotenti in unitate Spiritus Sancti omnis honor et gloria") ist es mit der früheren Anbetung Satans vorbei.
Eben deshalb bestand auch kein Grund, dem Zorne Gottes freien Lauf zu lassen; Satan konnte die Völker im wesentlichsten Punkt nicht mehr betören.
Auf den großen Altarbildern altberühmter Klöster, z.B. in Weingarten (Würtemberg) und Ottobeuren, ist zu sehen, wie der Heiland im Himmel aus seiner Seitenwunde das Blut auf den Erdball hinunterfließen läßt, während Gott Vater daneben thront. ... Wenn man bedenkt, welche ungeheuren und endlosen Verfolgungen die Christen im römischen Reich dreihundert Jahre über sich ergehen lassen mußten, um irgendwo in einem Mauseloch unter dem Boden das heilige Meßopfer zu feiern - die unterirdischen Erweiterungen, die man heute z.B. in der Domitilla-Katakombe sieht, stammen ja erst aus der Zeit der Freiheit der Kirche -, dann kann man nicht umhin, die Zeit der freien Feier des erhabensten Opfers als das Tausendjährige Reich zu bezeichnen. Es kann unmöglich eine bessere Deutung dieser wunderbaren kirchengeschichtlichen Schau des Apostels Johannes geben. Diese Schau war ein echter und wahrer Trost für die alten Gläubigen... Die Verfolgungen der Christen durch das "Tier" und den "falschen Propheten", das heißt durch den römischen Staat und das Götzenpriestertum, waren so allumfassend und so grausam, daß viele Christen gar nicht an eine Zeit echter Freiheit auf Erden zu glauben vermochten.
Das Tausendjährige Reich war genau das, was die katholische Kirche bisher in Lesungen der Adventszeit aus den alten Propheten vortragen ließ, z.B.: "In den letzten Tagen wird das Haus des Herrn wie ein herrlicher Berg dastehen, als höchster der Berge. Er wird alle Hügel überragen, und die Völker werden zu ihm strömen. Viele Völker werden sich aufmachen und sprechen: 'Kommt, laßt uns zum Berg des Herrn hinaufgehen, zum Hause des Gottes Jakobs'... und sie werden ihre Schwerter umschmieden in Pflugscharen und ihre Lanzen in Sicheln..." (Isaias 2,2-5, am Quatember-Mittwoch im Advent).
So wie der Prophete Isaias hier die Kirche in berechtigter Weise in verklärtem Zustande schaut, so schaut Johannes dieselbe Sache auf andere Weise als eine Zeit, in der der Zorn Gottes beendet ist.
An derselben Stelle, an der der Prophet Isaias die segensreiche Herrschaft des Sprosses aus der Wurzel Jesse über die Vöker beschreibt, nämlich im 11. Kapitel, sagt er: "Der Wolf wird mit dem Lamme zusammenwohnen und der Leopard mit dem Böcklein beisammensein: Das Kalb und der Löwe und das Schaf werden beisammen sein und ein kleiner Knabe wird sie hüten. Das Rind und der Bär werden zusammen weiden; ihre Jungen werden nebeneinander daliegen, und der Löwe wird wie ein Ochse Gras fressen". Mit diesen unglaublich klingenden Schilderungen wird nichts anderes beschrieben als die völlig unmöglich scheinende Zähmung menschlicher Wildheit unter der Herrschaft Christi im Tausendjährigen Reich. Die größten Machthaber der Menschen, die miteinander verfeindet waren, werden friedlich nebeneinander an der Kommunionbank knien und die Speise der Engel genießen.
Das Tausendjährige Reich ist nichts anderes als jenes Reich, um das uns Jesus mit den Worten zu beten gelehrt hat: "Pater noster, qui es in coelis, sanctificetur Nomen tuum, adveniat regnum tuum, fiat voluntas tua sicut in coelo et in terra..." - Dies war der Wille des Vaters, daß an allen Orten vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang ein reines Speiseopfer dargebracht werde. Um das Kommen dieses Reiches hätten wir beten sollen. Das Tausendjährige Reich ist jenes Reich, um dessen Kommen die seligste Jungfrau und Gottesmutter Maria seit dem Tag ihrer ersten heiligen Kommunion ununterbrochen gebetet hat. ...

Kaplan W.W.E. Dettmann
Veröffentlicht in "DAS ZEICHEN MARIENS", 4. Jahrgang, Nr. 7, Nov. 1970, Seiten 1088, 1089.

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