Donnerstag, August 03, 2006

Der Holocaust der Familie Löb von Tilburg und Berkel in den Niederlanden


Von Anscar Christensen. Übersetzung aus dem Englischen von Paul O. Schenker

In dem schön geordneten Friedhof der Zisterzienser-Abtei von Koningshoeven, nahe Tilburg, in dem für die Äbte reservierten Zentrums-Areal steht, ehrfurchtsvoll umgeben von holländischen Blumen, ein ungewöhnliches granitenes Kreuz:


Im Andenken an unsere Brüder,
Pater Ignatius, Pater Nivard, Bruder Linus,
der Familie Löb, welche
im Jahre 1942 in Auschwitz
für den Namen Christi starben.


Der Besucher fragt sich, warum nur diese erwähnten Mönche zum Tode ausgewählt wurden, vor allem da Löb ein deutscher Name ist und nicht ein holländischer. Dahinter entfaltet sich eine Geschichte, in der jedes Element kostbar ist.
Diese drei Brüder waren die Söhne eines ungewöhnlich talentierten und frommen zum katholischen Glauben konvertierten Eltern-Paares. Lutz und Jenny Löb hatten die besondere Auszeichnung, die in modernen Zeiten ohne Parallele dasteht, gleichzeitig drei Söhne in einer Zisterzienser-Abtei und drei Töchter in einem einzigen Zisterzienser-Kloster zu haben. Dann wurden alle sechs dieser außerordentlich hingebungsvollen christlichen Männer und Frauen vom Nazi-Regime verhaftet einzig weil sie von semitischer Abstammung waren. Sie zeigten eine heroische Treue in ihren Leiden und starben schließlich frei von aller Verbitterung für ihren Glauben. Es lohnt sich, sie von näher zu betrachten:
Ludwig ("Lutz") Löb, der Vater unserer bemerkenswerten Familie, war geboren im Rheinland im Jahre 1881 von liberalen jüdischen Eltern. Sein Vater hatte ein gutes Bekleidungsgeschäft in den Haag, und er übersiedelte seine ganze Familie dorthin im Jahre 1882. Tatsächlich brachte es Ludwig nie dazu, obwohl seine Kinder alle holländische Staatsbürger waren, seine deutsche Volkszugehörigkeit aufzugeben.
Lutz wurde ein nachdenklicher, feinfühliger, nobler Jungmann. Nach einem Interesse für Marxismus wandte er sich der Lektüre von Kardinal Mercier und anderer zu und begann sich für den Katholizismus zu interessieren. Er verlobte sich mit einer jungen jüdischen Frau, Johanna ("Jenny") van Gelder, der Tochter eines wohlhabenden Exporteurs. Man sagt, daß sie, im Gegensatz zu ihm, ein hitziges, talentiertes und extravertiertes Mädchen war. Sie empfingen die Taufe einige Tage vor ihrer Heirat im Jahre 1906.
Ludwig hatte unbeständigen Erfolg als Bergbau-Ingenieur und Lehrer. Die Familie siedelte von Holland nach Indonesien über und kehrte schließlich zurück und ließ sich in Bergen op Zoom nieder. Inzwischen waren von 1908 bis 1918 acht Kinder geboren. In Bergen op Zoom waren sie in einer streng katholischen Region. Hier waren sie nicht reich, aber die Personen der Familie erblühten in einer sehr gesunden Art und Weise. Jenny war die beliebteste Hostess in der Stadt. "Bei Löb's gibt es immer ein Fest!" Lutz war ein sanftmütiger, beliebter Lehrer und Jungendführer. Er widmete sich stiller Betrachtung, studierte den heiligen Bernhard, übersetzte französische Bücher (einschließlich Thibaut's Leben von Dom Marmion), machte jährlich 8-tägige Exerzitien in der Koningshoeven Abtei nicht weit weg und war allen bekannt als ein wahrer Heiliger.
So kam es, daß als der älteste Sohn, Georg, sein Hochschulstudium beendet hatte and Priester werden wollte, er im Jahre 1926, nach einigen Schwierigkeiten und einigem Zögern, in das Chor-Novitiat im nahegelegenen Trappisten-Kloster eintrat. So begann die Prozession. Nach Georg folgten seine jüngeren Brüder Robert ("Rob") als ein Laienbruder und Ernst als Chormönch. Inzwischen empfand das älteste Mädchen, Lina ("Lien") den gleichen Zug und wollte bei den Trappistinnen eintreten. Das nächstgelegene Konvent war französischer Sprachzugehörigkeit: Chimay in Süd-Belgien. Hier kam sie als erstes holländisches Mädchen an, um diesem Hause beizutreten. "Ich opfere mich selbst für die Bekehrung der Juden". Auch ihr folgten hernach zwei Schwestern, Door und Wies. Im Jahre 1937 gingen sie alle zur Neugründung nach Berkel, in den Niederlanden, nicht weit von Koningshoeven.
Somit waren es zwei Patres, ein Ordensbruder und drei Ordensschwestern aus der gleichen Familie, und ein jedes war eine echte existentielle Persönlichkeit eigenen Rechtes. Georg (Pater Ignatius) war extravertiert, herzlich und hilfsbereit. Er und Rob hatten manchmal ihre Mühen in Sachen Mängel und Schwierigkeiten, aber unterzogen sich gut. Rob (Bruder Linus) war hübsch, aktiv und voll glücklicher Kameradschaft. Er baute sogar einen verbotenen handgefertigten Radio mit einem Blechdach als Antenne und hörte heimlich Hitlers Reden! Ernst (Pater Nivardus) war ernst: "Ein Mönch bis ins Herz". Ein selbstbeherrschter Novizenmeister-Stellvertreter; er war strikt mit sich selbst aber lieb mit andern. Seine Nerven verursachten ihm schlaflose Nächte, aber er kam mannhaft zu den Nacht-Vigilien und kämpfte gegen den Schlaf mittels mancher "Befriedigungen". Lien (Mutter Hedwigis) war eine liebenswürdige, reife mütterliche Jungfrau. Sie bekleidete verschiedene Ämter in der Gemeinschaft und war bekannt als eine vorbildliche Ordensfrau, offenherzig und spontan, jedoch kontrolliert. Door und Wies (Mutter Theresia und Mutter Veronika) waren großherzig im Opfern und hatten eine zarte Liebe zur Heiligsten Jungfrau. Sie waren jedoch physisch nicht so stark wie Lien. Zuhause blieben nur die beiden jüngsten Kinder, Hans und Paula.
Inzwischen starb Lutz Löb eines heiligmäßigen Todes und hatte eines Armen Beerdigung, wie er es verlangt hatte. Kurz nach Pater Nivardussens erster heiliger Messe starb auch die Mutter, Jenny Löb.
Das Dritte Reich erhob sich. Der Krieg kam. Nazi-Panzer rumpelten in die Niederlande. Die holländischen Bischöfe protestierten in einer Pastoral-Verlautbarung gegen die am jüdischen Volk verübten Greuel. Statt die Hierarchie direkt anzugreifen, wählte der Kommissär General Schmidt die Variante, sie zum Schweigen zu bringen mittels einer öffentlich angekündigten Repressalie: eine Woche später wurden alle Juden katholischen Glaubens in Holland eingekreist. Das ist der Grund, warum ihr darauf erfolgter Tod zurecht ein Martyrium genannt werden kann erlitten im Haß gegen den Glauben und der lehrenden Autorität der Kirche.
Am Sonntag Morgen, 2. August 1942, während die Nonnen in Berkel das bekannte Nacht-Offizium sangen, kam die Polizei und verlangte, daß Mutter Hedwigis und Mutter Theresia überstellt würden. Sie verließen das Chor, empfingen die Heilige Kommunion von ihrem Kaplan und sagten lächelnd Adieu zu allen, die bei ihnen waren. "Wollt ihr nicht davonlaufen?" "Nein, ich habe meinem Herrn nur gesagt: 'Ich übergebe mich Dir; tue mit mir, was Du willst'". Mutter Veronika lag ernsthaft krank an Tuberkulose darnieder und wurde nicht verhaftet.
Als sie in Koningshoeven im Polizeiwagen ankamen, hatten die SS-Wachtmänner die Brüder von ihrem Nacht-Offizium weggeholt, aber sie erlaubten es in der Tat Pater Nivard und Pater Ignatius, vorher noch die heilige Messe zu zelebrieren. Pater Nivard war bemerkenswert in der Art, wie er die Messe mit seiner gewohnten Ruhe und bewußten Ernsthaftigkeit feierte. Als er gefragt wurde, ob er nicht zu fliehen versuchen wolle, sagte Pater Ignatius: "Aber was für eine Auswirkung würde das haben auf das Kloster? Sie haben gedroht, zehn Patres zu töten, wenn wir nicht kämen". Zu einem anderen Bruder sagte er: "Bis wir uns im Himmel wiedersehen". Die erste Reaktion von Bruder Linus war wegzulaufen, aber er schickte sich in das Unvermeidliche und diente Pater Ignatius bei der Messe.
Als die Brüder hinausgingen zum Wagen und die Schwestern sahen, die sie seit 12 bis 14 Jahren nicht mehr gesehen hatten, war die Wiedervereinigung herzinnig und voller Freude. Ein erstaunter SS-Wachtmann sagte: "Ihr glaubt wohl, ihr würdet zu einer Party geführt!" "Ja, so ist es", sagte Mutter Hedwigis, "ihr helft uns schlicht, schneller in den Himmel zu kommen!"
An diesem Tage wurden in den Niederlanden nicht weniger als 300 jüdische Katholiken festgenommen und in das Amersfoorter Einsammlungszentrum verbracht, dann zu dem berüchtigten Westerbork Camp an der deutschen Grenze. Es mag angemerkt werden, daß zu jener Zeit die Nazis immer noch hofften, Amerika würde ihren Opfern Zuflucht gewähren, und detaillierte Fragen wurden gestellt und notiert über Freunde und Verwandte in Amerika. Aber die US-Regierung willigte nicht ein, sie aufzunehmen. Die Löbs waren in brillanter Gesellschaft, mit Ärzten, Intellektuellen, gelehrten Dominkaner-Patres und -Schwestern, und der großen Karmelitin, Schwester Benedikta vom Kreuz, Edith Stein. Wegen der großen Kraft ihres Charakters war diese letztere eine natürliche Anführerin der Gruppe von Ordensleuten, welche das Offizium und den Rosenkranz gemeinschaftlich beteten.
Zeugen sagen, daß die beiden Priester der Löb-Familie tatkräftig waren im Trösten und Beichthören, und die Nonnen waren mutig und überall hilfsbereit, besonders gegenüber den Kindern. Dies ist in etwa alles, was wir wissen. Die Gruppe wurde ins schreckliche Auschwitz-Lager in Polen verbracht, wo ein Nazi-Dokument kurz und bündig ihre Geburts- und Sterbedaten festhält: August und September 1942. Ein unbestätigter Bericht eines anonymen Briefes sagt, daß weil sie Beicht hörten, die Patres Ignatius und Nivardus von einer Schießtruppe mit zwei Polnischen und Griechischen Priester getötet wurden und daß Pater Nivardus, der ehemalige Untermeister ausgerufen habe, ehe die Geschosse abgefeuert wurden: "Für das Novitiat von Koningshoeven!"
Schwester Veronika, die krank war, wurde schließlich von den Nazis nach Westerbork verbracht, jedoch nach nur 8 oder 10 Tagen freigelassen, dann von ihren Oberinnen in verschiedene Spitäler gesandt und starb endlich in ihrem eigenen Kloster im August 1944. Der jüngste Bruder, Hans, wurde festgenommen und verrichtete Zwangsarbeit in einem Zink-Bergwerk in Polen. Als die Kommunisten vorrückten, wurde er in einen nach Westen bestimmten, offenen Transport-Lastwagen verbracht, fror sich dabei seine Füße ab und starb in den Kranken-Barracken in Auschwitz im Februar 1945. Das jüngste Löb-Kind, Paula, heiratete einen Holländer, blieb während des Krieges verborgen im Hause eines mutigen Katholiken in Nymegen und ist das einzige überlebende Mitglied der Familie.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Danke sehr an den Webmaster.

Gruss Elena