Freitag, Februar 08, 2008

Des heiligen Apostels Petrus eigentliche Grabstätte

Mehr als dreihundert Jahre ruhte der Leib des Apostelfürsten mit kurzen Unterbrechnungen in der Memoria des Papstes Anakletus am vaticanischen Hügel, umgeben von den Särgen seiner unmittelbaren Nachfolger bis auf Zepherinus und einer großen Zahl von Martyrergräbern. Nachdem unter Kaiser Konstantin das Heidentum besiegt und das Kreuz auf dem Kapitol aufgerichtet war, baute dieser Kaiser um das Jahr 315 über die Memoria des hl. Apostelfürsten eine prachtvolle Kirche. Auf 96 Säulen von kostbarem Marmor ruhte der vergoldete Dachstuhl. Die Wände waren mit den kunstreichsten Musivbildern bedeckt. Der Altar über der Confessio des hl. Apostels war von einem silbernen Baldachin übeschattet, der auf vier Pophyrsäulen ruhte. Vom Baldachin herab schwebte an goldenen Kettchen die Taube vom feinsten Golde, in welcher das Allerheiligste aufbewahrt wurde. - Vor dem Eingang in die Confessio hing ein goldener Kronleuchter, 31 Pfund schwer; 50 Flammen vom feinsten Nardenöl ergossen daraus ihr Licht. Unter dem Altare befand sich die Grabkammer mit dem Sarge des Apostelfürsten. Den Deckel des Sarges schmückte der Kaiser Konstantin mit einem Kreuze aus reinstem Golde, 150 Pfund schwer. Die Grabkammer war ein ringsum mit Marmor bedeckter gewölbter Raum. Nur an der Decke des Gewölbes war eine Öffnung angebracht, durch welche man in die Gruft hinabsehen und Gegenstände, um sie zu weihen, auf den Sarg niederlassen konnte. Besonders waren es Bänder oder Tücher, die man in Kapseln eingeschlossen durch die Öffnung in die Gruft hinabhing, nach einiger Zeit wieder herausnahm und als geheiligte Reliquien hochverehrte. - (Siehe Abbildung der alten Peterskirche)
Zum Grabe der heiligen Apostel wallten ununterbrochen die Christen in allen Jahrhunderten aus der ganzen Welt, um da zu beten und die Einheit ihres Glaubens mit dem Glauben der heiligen römischkatholischen, auf Petrus gegründeten Kirche zu erkennen zu geben. Hieher "ad limina Apostolorum"* (* Die Pilger pflegten die Türschwellen der Kirche zu küssen oder doch mit der Hand zu berühren und dann die Hand zu küssen. Daher der Ausdruck ad limina Apostolorum "zu den Türschwellen der Apostel wallfahrten".)
Gegen 1200 Jahre stand die herrliche Basilika des hl. Petrus auf dem Vatikan. Sie hatte die furchtbaren Stürme der Völkerwanderung überdauert, in der Verheerung der Stadt Rom durch die Vandalen blieb sie verschont, sie überlebte die Eroberung der Stadt durch die Longobarden, selbst die Flammen, welche die Paläste der Stadt und ihre Circus und Theater einäscherten und in Schutt legten, verletzten sie nicht, aber sie war - baufällig geworden.
Da faßte Papst Nikolaus V. (1447) den Entschluß, eine neue Kirche an ihrer Stelle zu bauen. Doch erst Papst Julius II. legte im Jahre 1506 den Grundstein zum neuen Baue, dem schönsten und größten der Welt. Leider wurde durch die Herstellung der Grundmauern das vaticanische Cömeterium, die Ruhestätte einer Menge heiliger Martyrer aus der apostolischen Zeit, zum größten Teil zerstört. - Die ganze katholische Christenheit trug zu den Kosten des Baues bei, der mehr als 100 Jahre währte, 200.571.357 Mark (zweihundert und ein halb Millionen) Mark erforderte und den die größten Baumeister der damaligen Zeit leiteten und endlich vollendeten.


Was soll ich nun von der Sankt Peterskirche, dem schönsten und größten Tempel der Welt, sagen? Wie soll ich die unvergleichliche Harmonie ihrer großartigen Verhältnisse, ihre ergreifende Erhabenheit, die Kunst und Schönheit ihrer unnachahmlichen Mosaikbilder, ihre zahllosen Statuen von Marmor, den Glanz des Goldes, der das Auge blendet und die Pracht, die sich überall kundgibt, schildern? Schon der freie Platz vor Skt. Peter macht auf den Pilger, der das Grab des Apostelfürsten besucht, den tiefsten Eindruck. 284 Säulen und 88 Pfeiler bilden drei in ovaler Form sich dahinziehende Hallen, in deren mittlern sich bequem zwei Wagen nebeneinander bewegen können. Auf den Hallen stehen 162 Heiligenstatuen von weißem Marmor. Fünf Tore führen in die Kirche. Über dem Eingang, in der Mitte, befindet sich die Loggia, wo die Krönung des neuerwählten Papstes stattfindet und am grünen Donnerstag und Osterfest der Papst urbi et orbi "der Stadt und dem Erdkreis", in Gegenwart oft von Hunderttausenden den Segen erteilt. Von den fünf Toren der Kirche ist das äußerste rechts vermauert, und wird nur in einem Jubeljahr vom Papste feierlich geöffnet. -


Zunächst dem Haupttore sieht man in dem reichen Marmorboden eine runde Platte von Porphyr. Auf dieser Platte stehend pflegten die Päpste mit den deutschen Kaisern zu verhandeln, - Papst Pius IX. verlas dort noch in unsern Tagen an hohen Festen den Protest gegen die Ungerechtigkeit des Raubes des Kirchenstaates. -
Am letzten der Pfeiler, auf welchem das gewaltige Gewölbe der Kirche ruht, sieht und verehrt man die Broncestatue des hl. Petrus. Die Übelieferung sagt, daß Papst Leo der Große (440) diese Statue aus dem Metalle der kapitolinischen Jupiterstatue habe fertigen lassen. - Sie ist den Christen ehrwürdig wegen ihrer Darstellung und ihres hohen Alters und den Kunstfreunden interessant als ein herrliches Erzeugnis altchristlicher Kunst. (Siehe Abbildung)
Im Hauptschiffe erhebt sich der 100 Fuß hohe, reich mit Gold und kostbaren Steinen geschmückte Hochaltar, worin jener der alten Kirche eingeschlossen ist. Vier gewundene Säulen von vergoldeter Bronce tragen den Baldachin. Auf dem Altare darf nur der Heilige Vater das heilige Opfer feiern. - Erhebt man das Haupt, so schwingt sich der Blick erstaunt hinauf zur gewaltigen Kuppel, der höchsten der Welt. Vier mächtige Pfeiler, auf deren Grundfläche man eine kleine Kirche bauen könnte, tragen ihre mit prachtvollen Mosaikbildern geschmückten Wände und das darüber gespannte Gewölbe. Über der Vierung stehen in sechs Fuß hoher Mosaikschrift ringsum die Worte: "Tu es Petrus et super hanc Petram aedificabo ecclesiam meam et portae inferi non praevalebunt adversus eam." "Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen."
Unter der Kuppel befindet sich die Confessio des hl. Petrus. Vor dem Hochaltar führen zwei Marmortreppen hinab zum Grab des Apostelfürsten in dessen Sarg auch ein Teil der Gebeine des hl. Apostels Paulus ruht. Unten erblickt man eine Türe von vergoldetem Metalle mit den Brustbildern der beiden hl. Apostel. Sie verschließt eine mit alten Mosaikbildern gezierte Nische, in welcher die Gebeine der heiligen Apostel beigesetzt sind. 59 Lampen brennen fortwährend hier und erhöhen das Feierliche dieser heiligen Stätte. -
Steigt man wieder in die Kirche empor und geht hinter den Hochaltar, so sieht man in einem prächtigen Schrein von vergoldeter Bronce den Stuhl des heiligen Petrus. Vier riesenhafte Figuren, ebenfalls aus Bronce, die vier Kirchenväter Augustinus, Ambrosius, Athanasius und Chrysostomus vorstellend, tragen ihn. Dieser Stuhl ist der nämliche, welchen der Senator Pudens dem hl. Apostel Petrus schenkte, als er ihn in sein Haus aufnahm und die hl. Taufe mit seiner ganzen Familie von ihm empfing. - Der Stuhl selbst ist aus Holz und ganz mit Elfenbein bedeckt. An seinen beiden Seiten befinden sich Ringe, um ihn mittels durchgesteckter Stangen tragen zu können. Dies beweist, daß er ein kurulischer Stuhl war, deren sich in dem Senat* (* Zum Senat gehörten die edelsten Römer.) die Senatoren bedienten, wenn sie sich in die hohe Ratsversammlung begaben. - Er kann in zwei Teile zerlegt werden, und seine Vorderseite ist mit erhabenen Bildern aus Elfenbein von ausgezeichneter Kunst und mit Verzierungen vom reinsten Golde geschmückt.* (* Kardinal Wisemann "Abhandlungen" Band III. Gerbet "christliches Rom" Band I.)
Auf diesem Stuhle saß also der hl. Petrus, wenn er als Oberhaupt der Kirche sein Lehramt ausübte, und von diesem Umstand kommt es her, daß die Benennung "apostolischer Stuhl" das erhabene Lehramt und die höchste geistliche Gerichtsbarkeit des Papstes bedeutet* (* Die Kirche feiert "Petri Stuhlfeier zu Rom" am 18. Januar.)
So wurde denn Rom durch die Aufrichtung des Stuhles des hl. Petrus die erste und vornehmste Kirche der Welt, der Sitz des Oberhauptes derselben und die treue Bewahrerin der heiligen apostolischen Überlieferung. Stets auch gedachten die römischen Christen der großen Wohltaten und Segnungen, deren sie durch die beiden heiligen Apostel teilhaftig geworden und hielten beide als ihre geistlichen Väter, Lehrer und Erleuchter in höchster Verehrung. Sie suchten die Orte, wo sie geweilt, wo sie gelehrt, wo sie getauft, das hl. Opfer gefeiert, wo sie gelitten haben und gestorben sind, dem Andenken der Nachwelt aufzubewahren, versammelten sich an ihren Gräbern und hielten hier besonders an ihrem Todestage großartige Liebesmahle (Agapen), wobei sie sich kostbarer Trinkgefäße von Glas bedieten, deren Boden mit verschiedenen Gemälden auf Goldgrund, besonders mit den Bildnissen der heiligen Apostel, geziert waren. Solche Goldgläser wurden viele in den altchristlichen Cömeterien gefunden. Auf einem dieser Goldgläser sieht man beide Apostel nebeneinander, eine Krone über ihrem Haupte. (Siehe Abbildungen hievon.)
Auf einem andern Goldglase sieht man sie stehend, zwischen ihnen eine Säule mit dem Monogramm Christi. Die Säule sinnbildet die von den glorreichsten Aposteln, Petrus und Paulus gegründete, große, altehrwürdige und überall bekannte Kirche zu Rom** (** Worte des hl. Martyrers Irenäus, Bischofs zu Lyon, +202) von der der heilige Paulus sagt: "sie ist eine Säule und Grundfeste der Wahrheit." (I. Tim. 2, 15.)
Ein anderes Mal sieht man die beiden Apostel abgebildet, in ihrer Mitte Maria die allerseligste Jungfrau.
Im Cömeterium der hl. Domitilla, dessen Entstehung bis zu den Zeiten der Apostel hinanreicht, fand man eine sehr schöne Medaille von Bronce mit den Bildnissen der heil. Apostel Petrus und Paulus; Petrus mit kurzem gekräuseltem Bart, Paulus mit langem Bart.
Wenn auch die ersten Christen Roms die beiden Apostel hoch in Ehren hielten, so machten sie doch immer einen ganz bestimmten Unterschied zwischen denselben. Nur Petrus wurde von ihnen als der Gründer und eigentliche Stifter der römischen Kirche, als der erste Bischof Roms verehrt, und als das Oberhaupt der ganzen Kirche angesehen. Gewöhnlich nimmt Petrus auf den verschiedenen Darstellungen den Ehrenplatz ein, und steht zur Rechten. Öfter sitzt Petrus auf einer Art Thronsessel, während der Sitz Pauli ein gewöhnlicher Sessel ist. - Besonders ist es der Vorrang (Primat), durch den man Petrus von Paulus unterschied und jenen diesem entgegensetzte. So nennt der hl. Papst Leo I. (440) beide Apostel Väter und Hirten der Stadt Rom, fügt aber bei: Haupt der (christlichen) Welt sei Rom durch den Stuhl des hl. Petrus geworden. - Und in der Tat glaubten die ersten Christen immer, Petrus sei das Oberhaupt der Kirche, ihn habe Christus zum Grundstein seiner Kirche gesetzt, ihm die höchste Regierungsgewalt übertragen, ihm das unfehlbare Lehramt anvertraut. - Dies bezeugen mehrere Bilder, welche man in den römischen Cömeterien gefunden hat. -
Auf einer gläsernen Schale, Patena vitrea genannt, auf welcher der Diakon oder Priester nach der Messe des Bischofs das konsekrierte Brot, nämlich die hochheiligen Hostien, legt, um sie den Gläubigen in den Pfarreien der Stadt auszuteilen, steht Christus auf einem Berge und reicht dem Petrus eine Rolle, auf welcher man die Worte liest: "Der Herr gibt das Gesetz." Petrus aber nimmt die Rolle, zum Zeichen der Ehrfurcht, in den Falten seines Gewandes entgegen. Nun pflegten gerade so die römischen Statthalter ihre Instruktionsrolle aus dem Händen der Kaiser zu empfangen. Es ist also hier Petri Ernennung zum Statthalter Christi auf Erden, sowie die feierliche Übergabe der Regierungsgewalt in der Kirche, welche in dem Berge sowohl als in einer fruchtbeladenen Palme versinnbildet ist, dargestellt. Im untern Teile des Doppelbildes erscheint Christus als das göttliche Lamm auf dem Berge Sion, aus dem sich die vier evangelischen Ströme ergießen, während die Lämmer (die Gläubigen) zu ihm aufblicken. Petrus trägt ein Kreuz auf der Schulter, das die Väter für das Zeichen der Macht und Herrschaft halten. Um aber anzudeuten, daß diese Macht dem Petrus und nicht den übrigen Aposteln zukomme, steht ihm Paulus gegenüber. Beiden übergibt Christus die Mission der apostolischen Predigt, aber nur dem Petrus die Vollmacht und Herrschaft der Regierung. Eine ähnliche Darstellung sieht man auf einem Marmorsarge aus dem vatikanischen Cömeterium, der jetzt im Lateranensischen Museum aufbewahrt wird. Jesus sitzt mitten unter den Aposteln auf dem symbolisch dargestellten Himmelsgewölbe. Dem Petrus übergibt er eine Rolle, die derselbe mit verhüllten Händen empfängt. Ihm gegenüber steht Paulus.
Noch deutlicher zeigt sich der Glaube der ersten Christen an den Primat Petri auf einer schönen Lampe von Bronce. Dieselbe hat die Gestalt eines Schiffes mit geschwelltem Segel. Am Kiele steht Paulus, aber das Steuerruder lenkt Petrus. Den Mast ziert eine Tafel mit der Inschift: der Herr gibt das Gesetz. Der Sinn dieser Darstellung ist: "Paulus waltet als Herold des Evangeliums in der Kirche, aber die steuernde, gesetzgebende Hand des Petrus führt sie sicher durch das stürmische Weltmeer an das Ufer der Ewigkeit."



In einer Gallerie des Cömeteriums der hl. Domitilla zeigt ein Bild, wie hier beigesetzt, den Elias, wie er gen Himmel fahrend seinen Mantel dem Elisäus zurückläßt.
Die Übernahme des Mantels eines Propheten oder Lehrers galt den Alten bekanntlich als ein Zeichen der rechtmäßigen Nachfolge, Stellvertretung und Erbschaft seines Geistes, weshalb auch ein Prophetenschüler (die Gestalt rechts vom Wagen) verwundert dem Elisäus zuruft: "Der Geist des Elias ruht auf ihm!" Der Sinn dieses Bildes, das auch auf altchristlichen Marmorsärgen vorkommt, ist dieser:
Elias ist der Heiland, der auffahrend zum Himmel dem neuen Elisäus, Petrus, seinen Mantel und mit diesem seine Stellvertretung, die Statthalterschaft, Amts- und Machtfülle in seine Kirche überträgt, so dass auch die christlichen Prophetenschüler, die Gläubigen, erstaunt bekennen: "Der Geist Christi ruht auf ihm!"
Die ganze Summe der Vorrechte des hl. Petrus als Oberhaupt der Kirche sehen wir aber versinnbildet in jenen Wandgemälden und Goldgläsern, auf deren letzteren er gleich dem Moses Wasser mit seinem Stabe aus dem Felsen schlagend dargestellt wird. Der danebenstehende Name "Petrus" läßt keinem Zweifel Raum.
Wie Moses der Führer des alten Volkes Israel, so Petrus der Führer des neuen Israels oder des christlichen Gottesvolkes; wie Moses Oberhaupt der jüdischen Synagoge, so Petrus das Oberhaupt der Kirche Christi; wie Moses der höchste Gesetzgeber und Richter im alten Bunde war, der das Gesetz Gottes verkündete, so Petrus höchster Lehrer der Kirche. - Der Stab ist das Sinnbild der göttlichen Allmacht; er befindet sich aber in den Händen Mosis, Christi und Petri. Der Sohn Gottes hatte vor alter Zeit diesen Stab dem Moses übergeben, von dem die Schrift bezeugt, "daß er der Vertrauteste im Hause seines Herrn war." (I. Num. 12,7.) Nur kurze Zeit führte Christus während seines Erdenlebens diesen Stab in sichtbarer Hand. Nach seiner Auffahrt in den Himmel trat Petrus an Mosis Stelle. Ihm wurde die Kirche anvertraut, ihm von Christus der Stab übergeben. Petrus berührt mit diesem Stabe, d.h. in göttlicher Vollmacht, Christum, den Urfels der Kirche, "der Fels" aber, sagt Paulus, "ist Christus" (I. Kor. 10, 4) und entlockt ihm das Heilwasser der Lehre und Sakramente, um sie rein, klar und treu allen Menschen mitzuteilen, die in der Wüste des Unglaubens und des Irrtums in dieser Welt nach Wahrheit und Gnade schmachten. So versinnlichten also die ersten Christen in einem trefflichen Bilde des hl. Apostels Lehr-, Priester und Hirtengewalt. - Diese dreifache Gewalt übte auch Petrus 25 Jahre in Rom aus. - Die Stadt Rom nun, früher der Mittelpunkt der heidnischen Welt, wird Hauptstadt des Christentums, früher der Hauptsitz der Lüge und des Truges, wird nun Mittelpunkt und Sitz der Wahrheit; früher Sitz des heidnischen Pontifex Maximus, wird nun der Sitz des christlichen Pontifex, des Papstes. - Dem, der mit Rom, dem Mittelpunkt der Wahrheit und mit Petrus, dem Lehrer der Wahrheit, in Verbindung steht, ist der Friede gesichert. Schön drücken diesen Gedanken folgende zwei altchristliche Grabschriften aus:

+ EXVPERRANTIA D. XV. KL. SEPT:
HIC DEPOSITA EST IN PACE ROME; QVAE
BIXIT P. M. MENSES III.

"Exuperantia starb am fünfzehnten Tag der Kalenden des September. Sie ist hier beigesetzt im Frieden Roms; sie lebte ungefähr 3 Monate."

RVTA OMNIBVS SVBDITA ET ATFABI-
LIS BIBET IN NOMINE PETRI IN PACE.

"Ruta, Allen unterwürfig und leutselig, lebt im Namen Petri im Frieden."

Wir haben bisher gesehen, dass der hl. Apostel Petrus 9 Jahre nach dem Tode seines göttlichen Meisters und Herrn unter Kaiser Klaudius nach Rom sich begab, dort eine Christengemeinde bildete, seinen Lehrstuhl aufschlug und des Martertodes starb. Dies ist eine unleugbare Tatsache. Wie nun in einem Wahlreiche der gesetzmäßig gewählte Fürst als rechtmäßiger Nachfolger des verstorbenen Königs in alle Würden und Rechte desselbe eintritt, wie er zugleich die höchste Gewalt erlangt, seine Würde zu behaupten, seine Gerechtsame zu wahren und auszuüben; wie er mit Einem Worte gleich seinem Vorgänger König und als solcher vor dem Gesetze Eine und dieselbe Person mit dem Verstorbenen ist, - so wurden auch die römischen Päpste, welche durch gesetzliche Wahl den bischöflichen Stuhl von Rom bestiegen, als Petri Nachfolger, gleichfalls die Inhaber seiner Würde, aller seiner Reche, seiner ganzen Machtvollkommenheit. - "Petrus lebt in den Päpsten auf seinem, dem römischen Stuhle fort; er führt den Vorsitz und verkündet unfehlbar von seinem Stuhle aus (ex cathedra) die wahre Lehre Christi, denn der Heilige Geist ist es, der ihn vor allem Irrtum bewahrt und durch ihn spricht." Treffend ist dies ausgedrückt im nachstehenden, mit dem Meissel in Marmor eingegrabenen Bild, im Cömeterium auf der Via Labicana. Auf der Spitze des Stuhles steht die göttliche Taube, das Bild des Heiligen Geistes. Die Draperie, welche ihn umgibt, weist auf das hohe Ansehen hin, in welchem der Stuhl Petri in den ersten christlichen Jahrhunderten stand. Die römisch Kirche ist deshalb, wie schon gesagt, die erste und vornehmste. Schon der hl. Bischof und Martyrer Ignatius, Schüler des Apostels Johannes, nennt sie "die Vorsteherin des Liebesbundes"*) (* Epist. ad. Rom. c. 1), d.h. der ganzen Christenheit. - Von dieser, der römischen Kirche schreibt der hl. Irenäus, Bischof und Martyrer (+ 202): "Mit dieser Kirche müssen ihres mächtigen Vorranges wegen alle Kirchen übereinstimmen", und er gibt den Grund hievon an, indem er schreibt: "weil in ihr immer die apostolische Überlieferung erhalten worden ist."**) (** Adv. haeres. L. 3. c. 3.) Der hl. Cyprian, Bischof von Karthago (+ 258) und ebenfalls Blutzeuge des Herrn sagt: "Auf Petrus ist die ganze Kirche der Einheit wegen gegründet, dieser Apostel ist der Mittelpunkt der Kirche. Seinen Vorrang (Primat) hat er auf die römische Kirche übertragen, daher der bischöfliche Stuhl derselben in der Stuhl Petri und die Kirche zu Rom die erste und vornehmste ist."* (* De unitate Eccl.)
Ist aber die Kirche von Rom die erste und vornehmste, hat in ihr der Apostelfürst Petrus seinen Stuhl aufgeschlagen, hat sie die apostolische Überlieferung immer treu bewahrt, hatte nie zu ihr ein Irrtum Zutritt, so werden uns ihre ersten gläubigen Kinder, sowohl über als unter der Erde und diejenigen, welche mit ihr, dem Haupte und der Mutter aller Kirchen, in innigster Verbindung standen, den sichersten Aufschluß geben können, was sie selbst und ihre Glaubensbrüder geglaubt, gehofft und geliebt haben und wir werden dann ebenso sicher zu erkennen vermögen, wie die katholische Kirche heut zu Tage die nämlich ist, wie die Kirche der ersten Jahrhunderte.
Unter den ersten Christen aber über der Erde sind wohl die bewährtesten Zeugen jene Männer, welche durch Wort, Schrift und heiligen Wandel die ersten Christengemeinden geleitet, eine Menge Ungläubiger bekehrt und die Lehre Jesu Christi gegen ihre Widersacher und Feinde verteidigt haben. Man nennt sie die apostolischen Väter der Kirche, weil sie noch die Apostel gesehen und mit ihnen verkehrt haben, wie der hl. Ignatius, Bischof von Antiochia, Klemens von Rom, Polycarp, Justin etc. Nicht minder bewährte Zeugen sind die Kirchenlehrer, welche wegen ihrer Verdienste um die kirchliche Wissenschaft und ihrer Gelehrsamkeit als Vertreter der kirchlichen Lehre von der Kirche anerkannt sind. Zu ihnen zählen der heilige Bischof Irenäus, Tertullian in den ersten Jahren seiner Bekehrung, der hl. Cyprian, der hl. Cyrillus etc., welche in den ersten vier Jahrhunderten lebten, mit Wort und Schrift für den heiligen Glauben einstanden und den Irr- und Unglauben niederkämpften. Ihre uns hinterlassenen Schriften gestatten einen klaren Einblick in das Glaubensleben der ersten Christen.
Diesen Zeugen der ersten Christen über der Erde schhließen sich an die heiligen Martyrer mit ihren Aussprüchen, Bekenntnissen und Reden vor den Richterstühlen der Heiden. An ihnen erfüllte sich das Wort des Heilandes: "Wenn sie euch hinführen und überliefern, so bedenket nicht zuvor, was ihr reden sollet, sondern was euch eingegeben wird zur selben Stunde, das redet, denn nicht ihr seid es, die da reden, sondern der Heilige Geist." (Mark. 13,11.) Der nämliche Geist der Wahrheit, den Christus seiner Kirche verhieß und sandte und der sie alle Wahrheit lehrte, sprach auch aus den heiligen Martyrern; ihre Bekentnisse und Reden vor den Richterstühlen und im Anblicke des gewissen Todes sind untrügliche zuverlässige Zeugnisse für die Lehren des Christentums in den ersten Jahrhunderten und die Akten über ihren glorreichen Martertod und ihre Bekentnisse vor den Richtern besitzen die höchste Glaubwürdigkeit; denn es sind
  1. diese Martyrerakten eigenhändige, authentische gerichtliche Protokolle, weil sie von den Richtern oder Statthaltern bei ihrer Amtsverrichtung diktiert und von den Gerichtsschreibern aufgezeichnet wurden. Sie enthalten die Fragen der Richter, die Antworten der Martyrer und den Urteilsspruch. Die Christen, welche so gerne schriftliche Nachrichten über das heldenmäßige Bekenntnis und heilige Ende ihrer Martyrer zu besitzen verlangten, kauften nun unter dem Beifalle der Bischöfe und mit schwerem Gelde diese Gerichtsakten. Zuweilen boten die Gerichtsschreiber die Abschriften dieser Protokolle selbst zum Kaufe an, oder brachten, wenn sie geheime Christen waren, den Priestern oder Bischöfen dieselben als kostbare Geschenke. Diese vervollständigten sie mit den nähern Umständen der bestandenen Martern und des Todes.
  2. Sehr oft drangen die Christen selbst unter großen Gefahren in die Gerichtszimmer, um zu hören und zu sehen, was vorging und das Vorgefallene Andern mündlich oder schriftlich mitzuteilen.
  3. Bisweilen verfaßten die heiligen Martyrer selbst im Kerker eine Geschichte ihrer erlittenen Peinen und Bekenntnisse, welche dann von ihren Freunden oder Vertrauten vollendet wurden.
  4. Schon frühzeitig stellten die Bischöfe eigene verläßliche Geheimschreiber oder Notare auf, welche getreu aufzeichnen mußten, was täglich mit den Martyrern in den Kerkern oder öffentlich in den Gerichtsstuben oder auf dem Kampfplatze vorging. So hat der hl. Papst Clemens I. zu Rom schon um das Jahr 91 einige Notare für bestimmte Bezirke bestellt, diesen setzte Papst Fabian (236) sieben Subdiakone vor, deren Amt es unter anderem war, die von den Notaren verfaßten Akten durchzusehen, zu berichtigen und dann dem Oberhaupte der Kirche zur Prüfung und Genehmigung vorzulegen.
  5. Bei den größten Stürmen der Verfolgung, welche gewöhnlich zuerst die Bischöfe und Priester traf, ließ sich nicht immer die Leidensgeschichte der Martyrer aufzeichnen. - Erst bei eingetretenem Stillstande fing man an, aus den Bruchstücken der gerichtlichen Urkunden oder aus dem, was von glaubwürdigen und bewährten Müännern vernommen wurde, eine kurze Darstellung zu entwerfen und das schriftlich aufzuzeichnen, was allgemein bekannt war. Leicht ist in diesen Akten zu erkennen, was den gerichtlichen Protokollen entnommen ist.

Diese auf solche Art in den Zeiten der dreihundertjährigen Verfolgung der Kirche entstandenen Martyrerakten wurden bei der Feier des Todestages eines Martyrers (dies natalitius) vorgelesen, um die Gläubigen zur Standhaftigkeit zu ermuntern; auch zu Hause lasen sie die Gläubigen gerne, um an dem schönen Beispiele der heiligen Martyrer sich zu erbauen und in den Tagen der Leiden und Trübsal sich zu trösten. -Aus dieser großen Wertschätzung der Akten der heiligen Martyrer kann man wohl annehmen, daß man sich schon frühzeitig alle Mühe gab, sie zu sammeln. Jedoch gingen im Laufe der Zeit viele verloren. Die bewährtesten Akten finden sich in dem großen Werke des Bollandus und in dem berühmten Werke des Bendiktiners Theodorich Ruinart, dem die in diesem Buche enthaltenen Bekenntnisse und Aussprüche der heiligen Martyrer entnommen sind, und die auf volle Glaubwürdigkeit Anspruch machen können.Die heiligen Kirchenväter also und die Lehrer der Kirche aus den ersten vier Jahrhunderten des Christentums und die heiligen Martyrer mit ihren gleichsam mit Blut geschriebenen Bekenntnissen sollen die ersten Christen über der Erde sein, welche uns sagen werden, was sie geglaubt, gehofft und geliebt haben. - Doch es ist Zeit, daß wir hinabsteigen in die Totengrüfte und dort auch jene Christen hierüber befragen, die da unter der Erde zur ewigen Ruhe eingebettet sind, und der glorreichen Auferstehung entgegen harren.

Fortsetzung

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